Störungen des Nervensystems, die durch Medikamente, Umweltgifte oder pathophysiologische Prozesse verursacht werden, können weitreichende Folgen haben, die von Problemen der Signalübertragung bis zum Verlust der strukturellen Integrität des neuronalen Netzes reichen. Der größte Teil der Forschung zu diesen Themen findet in Tieren statt. Derzeitige In-vitro-Systeme sind meist auf Nagetierneuronen beschränkt, einige wenige Anwendungen verwenden auch aus Stammzellen differenzierte menschliche Neuronen (iPSC). Die häufig verwendeten Mikroelektroden-Arrays (MEA) sind sehr teuer im Verbrauch, sehr begrenzt im Durchsatz und bisher wenig standardisiert in ihren Endpunkten.
Das Projekt NeuroDeRisk, das gerade von der pharmazeutischen Industrie und der Europäischen Kommission ins Leben gerufen wurde, zeigt den enormen Bedarf an Innovation und praktischer Anwendbarkeit in der Toxikologie. In anderen Bereichen der biomedizinischen Forschung ist der Bedarf noch größer. Hier wird eine Lösung vorgeschlagen. Auf der Grundlage unserer bereits umfangreichen und vielversprechenden Vorarbeiten soll dieses Projekt ein robustes, durchsatzstarkes und umfassendes Testsystem für die Funktion von Nervenzellen zur Anwendungsreife bringen. Es basiert auf einer humanen Zelllinie von Neuronenvorläufern, aus der hochreproduzierbar homogene, reife und funktionell gekoppelte Nervenzellkulturen im 384-Well-Format hergestellt werden können.
Im Rahmen des Projekts werden alle relevanten Neurotransmitterrezeptoren funktionell charakterisiert, um den Anwendungsbereich genau zu definieren. Die Signale einzelner Rezeptoren sowie die koordinierte Netzwerkaktivität werden mit industrierelevanten Techniken wie Ca2+-Fluoreszenzmessungen extrem reproduzierbar und parallelisierbar erfasst. Die Zellkultivierungsmethoden für die Entwicklung eines neuronalen Netzwerks werden im zentralen Teil des Projekts so weit entwickelt, dass ein solches System als robuste Testmethode mit bekannten Akzeptanzkriterien und Leistungsparametern (basierend auf gut charakterisierten Modellsubstanzen) potentiellen Interessenten zur Verfügung gestellt werden kann.
Zusätzlich zu diesem hoch standardisierten Basistest werden modulare Erweiterungen angeboten. So ermöglicht die Kultivierung als 3D-Organoide den Nachweis von chronischen Substanzeffekten oder pathologischen Prozessen. Für letztere (z.B. Neuroinflammation oder Stoffwechselstörungen) ist auch der Einbau von Gliazellen und genetisch veränderten Neuronen geplant. Diese Module sollen pharmakologisch auf ihre Vorhersagbarkeit getestet werden. Abgerundet wird das Projekt durch die Dokumentation von Testmethoden, die den regulatorischen Anforderungen entsprechen, und einen Ringversuch, zu dem sich auch Pharmaunternehmen bereit erklärt haben.
Gruppenleiter Elektrophysiologie