Gründung und Entwicklung des NMI
Institutsziel Innovation
Den Anstoß zur Institutsgründung gab 1983 Dr. Günter Hoff, Forschungsleiter im Bereich »Neue Technologien« bei der Friedrichshafener Dornier-System GmbH, und damaliges Mitglied der baden-württembergischen Forschungskommission. Er schlug der Landesregierung den Aufbau eines naturwissenschaftlichen Forschungsinstitutes in thematischer und räumlicher Nähe zu den Universitäten Tübingen und Stuttgart vor. Damit sollte die Lücke zwischen akademischer und industrieller Forschung geschlossen werden – eine Lücke, die immer bedrohlicher für die deutsche Wirtschaft wurde. Hoffs Konzept sah ein interdisziplinäres Team aus rund 100 Wissenschaftlern vor, das Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung zu marktfähigen Technologien und Produkten weiterentwickeln sollte. Damit sollte sich die Einrichtung mit den besten US-amerikanischen Instituten messen können.
Prompt machte damals das Wort vom »Em-Ai-Ti-le von Reutlingen« die Runde. Klein aber fein zählt das NMI Reutlingen heute auf seinen Tätigkeitsfeldern qualitativ zur internationalen Elite der angewandten Forschung.
Finanziell und juristisch unter Dach und Fach
Die Frage, wie ein einzelnes Bundesland Förderung von Hochtechnologie und nachhaltigen Technologietransfer betreiben könne, prägte in den 80-iger Jahre die Wirtschafts- und Technologiepolitik der Landesregierung. Als visionärer Ministerpräsident unterstütze Lothar Späth die Pläne zur NMI-Gründung und setzte sich 1984 auch beim Bundesministerium für Forschung und Technologie für Unterstützung ein. Das Land Baden-Württemberg sicherte dem NMI zunächst bis 1989 finanzielle Mittel in Höhe von 10,5 Millionen DM zu. Die Gründung des NMI und sechs weiterer An-Institute in Baden-Württemberg (die heutige Innovationsallianz Baden-Württemberg) wurde schließlich Teil der Innovationsoffensive des Landes und diente als wesentliches Instrument der Wirtschaftsförderung.
Am 18. Juni 1985 wurde die »Stiftung für naturwissenschaftliche und medizinische Forschung an der Universität Tübingen in Reutlingen« als Stiftung des bürgerlichen Rechts in das Stiftungsverzeichnis eingetragen. Hoff wurde Stiftungsvorstand und Institutsleiter. Zum Stifterkreis gehörten zwölf namhafte Technologie-Firmen, vorwiegend aus dem süddeutschen Raum, und die Stadt Reutlingen.
Stand die Universität Tübingen dem »Hoff’schen Institut« mit seinem wirtschaftsnahen Auftrag damals sehr skeptisch und mit großen Vorbehalten gegenüber, unterstreicht heute ein 2009 erneuerter Kooperationsvertrag die besondere partnerschaftliche Beziehung des NMI mit der Universität.
Interdisziplinarität als Herausforderung Im Gegensatz zur akademischen Forschung in Einzeldisziplinen, verschrieb sich das NMI von Anfang an der Interdisziplinarität als Kernidee und lebte dies seine gesamte Geschichte hindurch. Schon in der Anfangszeit des Instituts gehörte es zum Anforderungsprofil neuer Mitarbeiter, dass sie in der Lage sein sollten, interdisziplinär zu denken und zu handeln und Universität und Wirtschaft zu verbinden.
Das NMI startete mit dem Schwerpunkt in Material- und Grenzflächenforschung, später kamen Biochemie, Zell- und Molekularbiologie hinzu. Durch die Ausbildung und Erfahrung seiner Mitarbeiter in zahlreichen technischen, ingenieur- und naturwissenschaftlichen Berufen hat das NMI heute ein breites Know-how und ein hoher Grad an Interdisziplinarität. Zahlreiche Veröffentlichungen, Patente und Lizenzen spiegeln den Erfolg der konsequent interdisziplinären Forschung am NMI wieder.
Bewährung in wirtschaftlich schwieriger Zeit
Das Konzept des NMI, Bindeglied zwischen Grundlagenforschung und Industrie zu sein, stand immer wieder auf dem Prüfstand. Anfang der 90-er Jahre hatte das Wirtschaftswachstum einen Tiefstand erreicht, die mittelständische Industrie hielt sich mit Forschungsaufträgen zurück. Nach der Wiedervereinigung stagnierten auch die Forschungsausgaben der Öffentlichen Hand. Das NMI durchlebte einen Schrumpfungsprozess und war gezwungen, sich neu aufzustellen. In der schwierigen Phase des Übergangs, 1994 – 1995, leitete Dr. Otto Inacker das Institut kommissarisch.
Im April 1995 übernahm Dr. Enzio Müller die Institutsleitung. Das breite Themenspektrum der Anfangsjahre wurde enger gefasst, das Institut konzentrierte sich zunehmend auf die Bereiche Biomedizintechnik sowie Oberflächen- und Grenzflächentechnologie. Der Bereich Pharma und Biotechnologie wurde als neues Geschäftsfeld definiert. Damit erkannten die Entscheider am NMI frühzeitig, wie wichtig Biotechnologie als Querschnittstechnologie für viele Branchen werden sollte. Die 1997 eingeleitete strategische Fokussierung auf Kernarbeitsgebiete, Industrieprojekte und Dienstleistungen führte zusammen mit industrieähnlichen Managementstrukturen und Steuerungsinstrumenten zu nachhaltigem Wachstum.
2008 übernahm, der bis dahin stellvertretende Institutsleiter, Prof. Dr. Hugo Hämmerle die Institutsleitung. In seiner Amtszeit baute Hämmerle das auf den Bereich Lebenswissenschaften und Biomedizintechnik spezialisierte Reutlinger Institut von rund 120 auf 200 Beschäftigte und das Jahresbudget von rund 10 Mio. auf knapp 18 Mio. Euro aus. Sein Name ist eng mit zahlreichen Ausgründungen und erfolgreichen Projekten und Kooperationen in der Gesundheitswirtschaft und anwendungsorientierten Forschung verbunden. Jüngstes Beispiel seiner fruchtbaren Arbeit ist der Aufbau des RegioWIN Campus im Technologiepark Tübingen-Reutlingen, in direkter Nähe zum NMI.
Seit April 2018 ist nun Prof. Katja Schenke-Layland Institutsleiterin.