Das NMI - eine 25-jährige Erfolgsgeschichte

Heute ist das NMI Reutlingen eines der angesehensten Forschungsinstitute Deutschlands, als „Leuchtturm der angewandten Forschung", hob Wirtschaftsminister Pfister das NMI unlängst hervor.

Dieser Erfolg kommt nicht von ungefähr: 25 Jahre lang hat das Institut mit interdisziplinärer Besetzung engagiert und effizient dafür gearbeitet. Dabei ist es seinem Auftrag als Brücke zwischen Wissenschaft und Wirtschaft mehr als gerecht geworden. Mit dem selbstbewussten Versprechen „NMI schafft Ergebnisse" begeht das Institut das 25. Jahr seines Bestehens. Mit seinem interdisziplinären Know-how an der Schnittstelle zwischen Bio- und Materialwissenschaften sieht sich das NMI heute gut aufgestellt für die technologisch und wirtschaftlich bedeutsamen Schwerpunktthemen der kommenden Jahre.

Den Anstoß zur Institutsgründung gab 1983 Dr. Günter Hoff, Forschungsleiter im Bereich „Neue Technologien" bei der Friedrichshafener Dornier-System GmbH. Er schlug der Landesregierung den Aufbau eines naturwissenschaftlichen Forschungsinstitutes in thematischer und räumlicher Nähe zu den Universitäten Tübingen und Stuttgart vor. Damit sollte die Lücke zwischen akademischer und industrieller Forschung geschlossen werden. Hoffs Konzept sah ein interdisziplinäres Team aus rund 100 Wissenschaftlern vor, das Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung zu marktfähigen Technologien und Produkten weiterentwickeln sollte. Damit sollte sich die Einrichtung mit den besten US-amerikanischen Instituten messen können. Prompt machte damals das Wort vom „Em-Ai-Ti-le von Reutlingen" die Runde. Heute sind die Spötter längst verstummt. Zwar kann das NMI personell mit seinen insgesamt rund 180 Mitarbeitern nicht mit dem berühmten Bostoner MIT konkurrieren, aber das NMI Reutlingen zählt auf seinen Tätigkeitsfeldern qualitativ längst zur internationalen Elite der angewandten Forschung.

Am 18. Juni 1985 wurde die „Stiftung für naturwissenschaftliche und medizinische Forschung an der Universität Tübingen in Reutlingen" als Stiftung des bürgerlichen Rechts in das Stiftungsverzeichnis eingetragen. Zum Stifterkreis gehörten zwölf namhafte Technologie-Firmen, vorwiegend aus dem süddeutschen Raum, und die Stadt Reutlingen. Heute unterstreicht ein 2009 erneuerter Kooperationsvertrag die besondere partnerschaftliche Beziehung des NMI mit der Universität Tübingen.

Strategischer Wandel
Bei der NMI-Gründung waren vier Kernbereiche definiert worden: die Materialforschung, die Grenzflächenforschung, die Technische Physik und die Theoretische Physik. Hoff wurde Institutsleiter und hatte dieses Amt bis zu seiner Pensionierung 1994 inne. Anfang der 90-er Jahre hatte das Wirtschaftswachstum einen Tiefstand erreicht, die mittelständische Industrie hielt sich mit Forschungsaufträgen zurück. Nach der Wiedervereinigung stagnierten die Forschungsausgaben der Öffentlichen Hand. Das NMI durchlebte einen Schrumpfungsprozess und war gezwungen, sich neu aufzustellen.

Im April 1995 übernahm Dr. Enzio Müller die Institutsleitung. Das breite Themenspektrum wurde enger gefasst, das Institut konzentrierte sich zunehmend auf die Bereiche Biomedizintechnik sowie Oberflächen- und Grenzflächentechnologie. Der Bereich Pharma und Biotechnologie wurde als neues Geschäftsfeld definiert. Damit erkannten die Entscheider am NMI schon frühzeitig, wie wichtig Biotech für die deutsche Hochtechnologie werden sollte.

Das NMI schaffte es durch Aufbau einer schlanken Verwaltung, Optimierung der Strukturen und eine strategische Fokussierung auf Kernarbeitsgebiete, Industrieprojekte und Dienstleistungen, ein stetiges und vor allem nachhaltiges Wachstum einzuleiten, das bis heute andauert. Diese Strategie bewährte sich nicht zuletzt, als mit dem Platzen der DotCom-Blase um die Jahrtausendwende auch der Biotech-Boom einbrach.

Die 90-er Jahre waren am NMI auch geprägt von starken Gründungsaktivitäten. Sie spiegeln neben zahlreichen Veröffentlichungen, Patenten und Lizenzen den Erfolg der konsequent interdisziplinären Forschung am NMI wieder. Insgesamt 12 Unternehmen wurden seit 1996 aus dem Institut heraus gegründet, standen technologisch in direktem Zusammenhang mit NMI-Entwicklungen oder nutzten das NMI und seine High-Tech-Labore als Inkubator für die Firmengründung. Dies zeigt, wie gut das NMI Ergebnisse aus der Forschung in die Wirtschaft am Standort Reutlingen/Tübingen transferiert.

Seit Februar 2008 leitet Prof. Dr. Hugo Hämmerle das Institut, nachdem er zehn Jahre lang bereits als stellvertretender Leiter für die strategische Neuausrichtung des NMI und die erfolgreiche Gründungspolitik verantwortlich war. Neue Räume für Ideen und Entwicklung Angewandte Hochtechnologie-Forschung benötigt nicht nur exzellente Köpfe und einen soliden finanziellen Rahmen, sondern auch Räume: normale und Sicherheitslabore, Reinräume, die dazu gehörende Haustechnik und natürlich Büroräume, Lagerflächen usw. Am ersten Standort des Institutes am Zentralen Omnibus-Bahnhof (ZOB) der Stadt Reutlingen wurde es schnell zu eng für das prosperierende Institut. Parallel dazu gab es Überlegungen der Stadt Reutlingen, das lokale Unternehmertum verstärkt zu fördern. Das führte dazu, dem NMI 1996 ein Existenzgründerzentrum anzugliedern, in das gleich zu Beginn drei neue Unternehmen aus dem Umfeld des NMI einzogen. Hinzu kam, dass das Gebäude nicht in die Pläne zur kommunalen Entwicklung passte und abgerissen werden sollte. Die Stadt Reutlingen ließ schließlich das Gebäude in der Markwiesenstraße 55 im interkommunalen Gewerbegebiet umbauen und den Bedürfnissen des NMI anpassen. Im Januar 1998 wurde es bezogen und in direkter Nachbarschaft entstand der Wissenschafts- und Technologiepark Tübingen/Reutlingen, in dem im Laufe der Jahre einige NMI-Ausgründungen ihren Platz finden sollten. In diesem Jahr, zum 25-jährigen Jubiläum des NMI, erhält das Institut einen dringend benötigten Erweiterungsbau, der dem Erfolg und dem aktuellen Wachstum gerecht wird.

Entwicklung à la NMI: Aus einem Stamm treiben viele fruchtbare Äste Seit 25 Jahren demonstriert das NMI Reutlingen, wie sich einzelne Projekt-Erfolge aus der angewandten Forschung vervielfältigen lassen und wie sie weitere Innovationen für die Forschung und die Wirtschaft nach sich ziehen. So entstehen neue Forschungsstränge, neue Unternehmen und mit beidem auch neue Arbeitsplätze - made in Reutlingen.

Dabei fokussiert das NMI auf Zukunftstechnologien wie die Regenerative Medizin. Speziell im Bereich Tissue Engineering, also in der Gewebezüchtung, ist am NMI bereits über viele Jahre hinweg eine breite Kompetenz gewachsen. Sie führte schon im Jahr 2000 zusammen mit der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik in Tübingen zu einer Unternehmensgründung im spannenden Feld der biomedizinischen Hochtechnologie: Die TETEC GmbH bzw. seit 2003 TETEC AG entwickelt innovative Verfahren, um aus patienteneigenen Zellen zum Beispiel neues Knorpelgewebe zu züchten und ist damit heute Marktführer in Europa. Die TETEC AG ist ebenso wie das NMI Partner bei REGiNA, der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten „Gesundheitsregion der Zukunft".

Ein weiteres Beispiel nachhaltiger angewandter Forschung stammt aus der Sensorik: Schon 1988, nur drei Jahre nach der Institutsgründung, präsentierte das NMI mit dem ersten MEA (Mikroelektroden-Array) eine Eigenentwicklung, die weltweit zu einer der Schlüsseltechnologien der Neurowissenschaften avancierte. MEAs sind miniaturisierte Analysechips für Laboranwendungen. Auf den nur wenige Zentimeter großen Glasträgern können Zellen wachsen, wobei die im Glas eingebetteten Elektroden elektrische Signale einzelner Zellen erfassen, diese aber auch elektrisch stimulieren können.

Die MEAs dienten gleich drei neu gegründeten Unternehmen im Umfeld des NMI als Basis-Technologie: Seit 1996 entwickelt und vertreibt die Multi Channel Systems MCS GmbH elektrophysiologische Messsysteme - mit den MEAs aus dem Reinraum des NMI als Kernstück. 2001 kam es am NMI dann zur Ausgründung der heute in Rostock ansässigen Cytocentrics AG. Ihr verhalf die MEA-Technologie zu Basis-Erfindungen für Geräte für automatisierte elektrophysiologische Wirkstoff-Tests an Zellkulturen. Die Ergebnisse der MEA-Forschung gingen außerdem in die Entwicklung elektronischer Retina-Implantate ein, die 2003 zusammen mit der Universitätsaugenklinik Tübingen zur Gründung der Retina Implant AG führte - dem heute weltweit führenden Unternehmen, das elektronische Netzhaut-Implantate anbietet. Die Implantate, die gegenwärtig erfolgreich an der Augenklinik getestet werden, erlauben blinden Menschen in einem gewissen Umfang wieder eine optische Wahrnehmung.

Parallel zu den Gründungsaktivitäten generierten die MEAs weitere Forschungsaktivitäten, die in jüngster Zeit zur Entwicklung des Lab-on-a-Chip führten, einer miniaturisierten Plattform zur Durchführung komplexer Reaktionen etwa für die mobile Diagnostik am Krankenbett. Auch die Gründung der Neurochip-Nachwuchsgruppe im vergangenen Jahr und die Beteiligung am südwestdeutschen Spitzencluster MicroTec fußen mit auf dem Erfolg der MEA-Forschung. Deren internationale Bedeutung zeigt sich alle zwei Jahre bei den MEA-Meetings, mit denen das NMI regelmäßig Spitzenforscher aus der ganzen Welt nach Reutlingen holt. In ähnlicher Weise haben auch Innovationen aus der Biotechnologie und Zellbiologie neue Forschungsstränge und Marketing- bzw. Info-Plattformen wie das BioChipNet hervorgebracht und Firmengründungen inspiriert. Als jüngste Ausgründung vom Juli 2009 baut auch die Cellendes GmbH auf technologische Entwicklungen am NMI auf.

Cellendes entwickelt und vermarktet Hydrogele für dreidimensionale Zellkulturen, die ebenso in der Grundlagenforschung wie für Wirkstofftests in der Pharmaindustrie und in der Regenerativen Medizin einsetzbar sind. Im Geschäftsbereich Pharma und Biotechnologie unterstützt das NMI die Entwicklung neuer Medikamente. Im Vordergrund stehen neue Technologien für die Analyse von Ionenkanälen, von Proteinexpression und Genfunktionen. Die Protein-Mikroarray-Gruppe des NMI gehört zu den weltweit führenden Teams in diesem Technologiefeld.

NMI Naturwissenschaftliches und Medizinisches Institut an der Universität Tübingen
Das Institut ist eine Stiftung bürgerlichen Rechts mit Sitz in Kusterdingen im interkommunalen Gewerbegebiet Reutlingen/Tübingen. Mit 180 Mitarbeitern verfügt es über breite, interdisziplinäre Kompetenzen an der Schnittstelle von Bio- und Materialwissenschaften. Mit angewandter Forschung und Entwicklung hat das NMI in den Geschäftsfeldern Pharma und Biotechnologie, Biomedizintechnik, Oberflächen- und Grenzflächentechnologie zuletzt einen Umsatz in Höhe von 13,8 Mio. Euro erzielt. Seit seiner Gründung im Jahr 1985 hat sich das gemeinnützige Forschungsinstitut zu einer soliden Brücke zwischen Grundlagenforschung und Wirtschaft entwickelt. Als Mitglied der Innovationsallianz Baden-Württemberg ist das Institut im Besonderen dem Wissens- und Technologietransfer verpflichtet und unterstützt kleine und mittelständische Unternehmen.

Zurück